Statement zu Absage des 2. Münchner Fachtag zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Im März hätte der „2. Münchner Fachtag zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt“ vom Traumahilfezentrum München stattfinden sollen. Am 20.1. wurde dieser abgesagt mit für uns sehr undurchsichtigen, schwammigen Argumenten. 

Wir als IHP Vielfältig Leben e.V. können die Argumentation und damit die Absage nicht nachvollziehen und möchten uns mit unserem Statement dazu mit allen Betroffenen solidarisieren, da wir es sehr wichtig finden laut zu werden und uns nicht noch mehr ins Schweigen drängen zu lassen.

Die Absage des Fachtages ist wie folgt formuliert:

„Seit mehr als 20 Jahren existiert ein Narrativ zu Ritueller Gewalt, das eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Form von Gewalt unnötig verzögert und adäquate Hilfen für Betroffene erschwert: Seitdem Menschen von ihren Erfahrungen Ritueller Gewalt berichten, behaupten andere, diese Erfahrungen seien unwahr.“ (zitiert aus: Prävention I Aus unserer Sicht (Betroffenenrat) I 03.07.2018 – Statement des Betroffenenrates zum Umgang mit Ritueller Gewalt)

Auch in der aktuellen Berichterstattung verbreiten sich unterschiedliche Narrative zunehmend. Diese Medienberichte haben keinen direkten Bezug zu unserer Veranstaltung, aber möglicherweise negative Auswirkungen auf Beteiligte, weil sie auch fachliche Verzerrungen enthalten und zum Teil falsche (ideologische) Zusammenhänge herstellen.

Leider haben diese Entwicklungen dazu geführt, dass wir uns als Organisationsteam derzeit nicht inr (sic! Anmerkung: in der) Lage sehen, einen sicheren Raum für einen offenen und fachlich produktiven Austausch zwischen allen Beteiligten zu gewährleisten. Wir haben uns daher entschieden, den 2. Münchner Fachtag zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt zu verschieben, bis wir einen sicheren und störungsfreien Rahmen für die Veranstaltung und für die Weiterführung des fachlich und politisch differenzierten Trialogs zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten herstellen können.

Wir bedauern diesen Schritt und haben die Entscheidung nach reiflicher Überlegung und intensivem kollegialem Austausch getroffen.

20.1.2023

Das Vorbereitungsteam“

(Zu lesen auf: https://www.thzm.de/fachtag/)

Es mag tatsächlich vorliegende, reale Gründe für die Absage dieses Fachtages geben. In unseren Augen ist es aber ein vollkommen falsches Zeichen in Richtung der False Memory und Satanic Panic Bewegung. Außerdem verunsichert diese Absage viele Betroffene, da keine wirklich greifbaren Begründungen enthalten sind.

Bei o.g. realen Gründen und potenzieller Bedrohung hätte es so viele andere, schlauere Möglichkeiten gegeben damit umzugehen, anstatt den Fachtag einfach abzusagen. Es gäbe die Möglichkeit die Schutzmaßnahmen deutlich zu erhöhen, man hätte den Fachtag online abhalten können und sollten diese Varianten aufgrund der Kurzfristigkeit nicht möglich sein, hätte man offen kommunizieren müssen, um jegliche Zweifel und Unsicherheiten auszuräumen.

Warum kann das Narrativ welches seit 20 Jahren besteht nicht konkret benannt werden? Wenn es keinen konkreten Bezug zur Veranstaltung gibt, warum muss dann diese Absage erfolgen? Gab es doch konkrete Bedrohungen? Sollte man dann aber nicht in die Offensive gehen, Sicherheitskonzepte anpassen und erst recht an die Öffentlichkeit? Wenn in Medienberichten falsche (ideologische) Zusammenhänge dargestellt werden, wäre es dann nicht viel wichtiger genau dagegen zu agieren und die traumatischen Erlebnisse und Erfahrungen der Betroffenen aufzuzeigen?

Ist es nicht täterloyales Verhalten hier in ein Schweigen und den Rückzug zu verfallen, da ihnen wiederholt die notwendige Unterstützung und Hilfe verwehrt wird bzw. schlichtweg fehlt?

Täter, die False Memory und die Satanic Panic Bewegung wollen Opfer zum Schweigen bringen, aus gleichen oder unterschiedlichen Gründen – das lassen wir mal dahin gestellt. Und doch sollen Opfer schweigen. Wie kann es sein, dass gerade professionelle Hilfeeinrichtungen wie das Traumahilfezentrum in Schweigen verfallen und Betroffene „auf die Straße gehen“ und laut werden müssen. Sollte sich das Traumahilfezentrum nicht vielmehr schützend davorstellen und mit einer „jetzt erst recht Einstellung“ den Fachtag, gerne unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, abhalten und möglichst breit darüber informieren?

Der sichere Rahmen, den das Traumahilfezentrum sich wünscht, rückt damit in unseren Augen in immer weitere Ferne, denn die oben genannten Bewegungen sind extrem befeuert und feiern die Absage auf Social-Media-Kanälen und einschlägigen Internetseiten. Ein erster großer Erfolg in der Satanic Panic und False Memory Bewegung, die seit rund 30 Jahren besteht, führt logischerweise zu mehr „Aufrüstung“ in diesen, statt zu Rückzug. Warum sollte ein verschobener/zukünftiger Fachtag dann störungsfreier verlaufen können?

Siehe im nachfolgenden die Beispiele, die wir hierzu rausgesucht haben:

„Hier ist sie also: die erste Konsequenz in Deutschland zu dieser Thematik, also das worauf wir gehofft hatten aber fast nicht zu glauben wagten“ (Quelle: dissoziationen.de/news/ absage-des-fachtags-zur-rituellen-gewalt/)

Weiterhin wird sich hier beispielsweise darauf bezogen, dass Betroffene als Beweis die Verbreitung von Kinderpornographie anbringen: „Für mich ist dieses ablenken vom Wesentlichen, nämlich dem – wie postuliert wurde – weltweit vernetzten Kult des Satanismus, ein klarer Indiz dafür, dass sich alle Anhänger der Verschwörung (inklusive vieler – in den Medien sehr aktiver – Betroffene) durchaus dessen bewusst sind, dass wir hier von einer Verschwörung reden!“ (Quelle: dissoziationen.de/news/ rituelle-gewalt-ist-ploetzlich-verbreitung-von-kinderfolter/)

Formuliert wird hier auch in einem weiteren Artikel: „Könnte die Stellungnahme also mutmaßlich eine Umschreibung für „Satanisten als Täter – davon distanzieren wir uns mal schnell“ sein….“ (Quelle: dissoziationen.de/news/ satanic-panic-narrativ-nur-temporaere-stoerung/), was deutlich zeigt welche Wirkung diese Absage des Fachtages hat und in der Satanic Panic Bewegung als Hoffnung angesehen wird, dass die Fachwelt nun eingesehen habe, dass sie Unwahrheiten verbreitet hätten. „Ob das Narrativ des rituellen (satanischen) Missbrauchs nur „gestört“ oder wirklich ein für allemal zerstört worden ist, werden die nächsten Monate zeigen.“ (Quelle: dissoziationen.de/news/ satanic-panic-narrativ-nur-temporaere-stoerung/)

Auf der Facebook-Seite „Satanic Panic Verschwörung“ werden ebenfalls in Bezug auf die Absage des Fachtages Betroffene diskreditiert. Hier heißt es beispielsweise: „Egal, wo man hinschaut, ganz plötzlich geht es nirgendwo mehr um Mind Control und den satanisch-rituellen Missbrauch. Diese Themen, die immer im Zentrum gestanden waren, wurden plötzlich an den Rand gedrängt.“ (Quelle: facebook.com/ satanischepanik)

Die Absage macht viel mit vor allem Betroffenen, aber auch deren Helfer*innen. Sie macht wütend, verzweifelt, sie triggert, ängstigt auf verschiedenen Ebenen und in erster Linie macht sie absolut sprachlos.

Aus diesem Grund möchten wir als Verein hiermit allen eine Stimme geben und uns ganz klar gegen diese Entwicklung positionieren.

2 Kommentare zu „Statement zu Absage des 2. Münchner Fachtag zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

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